
Die atemberaubenden Erkenntnisse aus der Dissoziativen Identitätsstörung
Was ist eine Multiple Persönlichkeitsstörung?
Die Multiple Persönlichkeitsstörung (anders Dissoziative Identitätsstörung genannt) ist eine dissoziative Störung, bei der sich die Psyche der betroffenen Person in mehrere Teilpersönlichkeiten (Teilidentitäten) aufspaltet. Die DIS gilt als die schwerste Form der Dissoziation, die bei massiver traumatisierender Gewalt im Kindesalter entstehen kann.
Anders als bei Erwachsenen (die in dem Fall wahrscheinlich eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln würden), prägen und deformieren wiederholte schwere Traumata die gesamte Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes. Die pathologische Umwelt erzwingt Entwicklung von Hilfs- und Schutzstrukturen, die gleichermaßen kreativ wie destruktiv sind. Die multiple Persönlichkeit ist also eine Struktur, die dem Überleben der Person dient.
Menschen mit einer dissoziativen Identitätsstörung sind schwer traumatisiert. Ihre Psyche ist so verletzt, dass sich ihre Persönlichkeit in mehrere Teilidentitäten aufspaltet. Die einzelnen Identitäten wechseln sich ab und wissen in der Regel nichts voneinander. Normalerweise gibt es eine Identität, die den Großteil des normalen Alltags bestreitet. Diese bezeichnet man als Host (englisch: Gastgeber). Die anderen Teilpersönlichkeiten nennt man Alters (abgeleitet vom englischen alternate, sinngemäß: anders, verändert). Mindestens zwei dieser Persönlichkeiten übernehmen abwechselnd die volle Kontrolle über das Verhalten des Individuums.
Die Teilidentitäten erfüllen verschiedene Aufgaben
So entstehen zum Beispiel Helferpersönlichkeiten, welche die Rolle des Beschützers für die Betroffenen übernehmen, indem sie Situationen vermeiden, in denen ein Missbrauch stattfinden könnte. Andere Teilpersönlichkeiten sorgen beispielsweise dafür, dass die Betroffenen mit den Anforderungen in der Schule oder am Arbeitsplatz zurecht kommen.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass wir alle in einem gewissen Maße dissoziieren. Es gibt vielleicht ein „Berufs-Ich“, ein „Ausgeh-Ich“ und ein „Familien-Ich“. Wir haben unterschiedliche Persönlichkeitsaspekte in uns, aber keine unterschiedlichen Personenanteile. Normalerweise ist es so, dass wir Zusammengehörendes trennen können und das Bild speichern, um es dann bei Bedarf wieder zusammenzufügen. Der größte Teil von Menschen, die eine multiple Persönlichkeit entwickelt haben, mussten dies, wie beschrieben, als Schutz oder Überlebensmechanismus tun.
Typisch für eine multiple Persönlichkeitsstörung sind schwerwiegende Gedächtnislücken: Die Betroffenen können sich an wichtige persönliche Informationen nicht erinnern. Der Grund: Der Host ist sich der anderen Persönlichkeitszustände nur teilweise bewusst, sodass er sich auch nicht an deren Handlungen erinnert. Wer eine multiple Persönlichkeit hat, weiß darum manchmal nicht, wie er an den Ort gekommen ist, an dem er sich befindet, wer die Person ist, die er eben gegrüßt hat oder wer den Einkaufszettel auf seinem Tisch geschrieben hat.
Die Teilpersönlichkeiten können sowohl emotional als auch physisch ziemlich unterschiedlich sein
Das, was uns in diesem Zusammenhang interessieren wird ist, wie sich der psychische und physische Zustand, wie auch das Verhalten der Person mit dem „Wechsel“ verändert. Die Teilpersönlichkeiten können nämlich sowohl emotional als auch physisch ziemlich unterschiedlich sein.
Sie haben verschiedene Namen, Alter und manchmal Geschlecht.
Sie haben verschiedene Mimik und Gestik.
Sie haben unterschiedliche Geschmäcker (so bei der Kleidung oder der Musikauswahl), Vorlieben und Verhaltensweisen.
Die unterschiedlichen Charaktereigenschaften der sogenannten Alters stehen häufig im Gegensatz zum Host.
Sie haben verschiedene Begabungen und Talente.
Sie haben unterschiedliche Handschriften und Sprechweisen.
Sehr oft wissen diese Teil-Persönlichkeiten nichts voneinander, sind sich fremd, und verfügen auch jeweils über ein eigenes Gedächtnis.
Die Wirkung von Alkohol oder Medikamenten kann auf die einzelnen Personen recht unterschiedlich ausfallen.
Darüber hinaus werden auch voneinander abweichende EEGs und interessanterweise voneinander abweichende Krankheitssymptome beschrieben! Beispiele:
Der Horst leidet an Diabetes mellitus, die übrigen Innenpersonen sind aber gesund. Innerhalb weniger Stunden können sich die Blutwerte (je nach Teilpersönlichkeit) vollkommen verändern.
Eine Persönlichkeit hat LEMS (Lambert Eaton Myasthenes Syndrom) eine Fehlsteuerung des Immunsystems, nachweisbar durch Antikörper im Blut, eine weitere hat sie nicht, dafür aber weist sie eine erbliche Genveränderung auf (CMS (Congenitales Myasthenie Syndrom), nachweisbar durch eine Muskelbiopsie).
Ähnliche Beobachtungen betreffen Asthma oder Schuppenflechte sowie weitere Erkrankungen.
Lassen wir die Teilnehmer eines
Multiplen Persönlichkeitsstörung-Forum zu Wort
Hier ein paar Zitate aus einem Multiplen Persönlichkeitsstörung-Forum (https://multiplepersoenlichkeitsstoerung.wordpress.com)
„Der Kleiderstil ist unterschiedlich, je nachdem ob ein Jugendlicher oder Großer draußen ist“
„Hormone…, dass sie die Werte hat wie in den Wechseljahren (auch die Beschwerden) und ich habe ganz andere Werte“.
„Teilweise schwankt auch die Augenfarbe und vor allem die Pupillengröße aufgrund der Dissoziation so, dass in der Klinik vermutet wurde, wir würden Drogen nehmen. Auch unsere Schuhe passen nicht jedem – mancher läuft sich Blasen, mancher nicht. Allergien scheinen auch unterschiedlich zu sein“.
„Bei uns ist es so: Ich habe eine Brille und 2 Hörgeräte, die Innies brauchen alle keine Brille und kein Hörgerät. Wenn die Innies vorne sind, wissen sie nicht, was sie machen sollen – erst Brille oder erst Hörgerät wegmachen…“
„Also bei uns ist es so: A hat ganz arge Hautprobleme, viele Allergien, Neurodermitis, und B hat das nicht, kriegt aber manchmal etwas davon ab. C kann ganz schlecht hören (Innie) aber B hört gut (gehört zum Alltagsteam). Wir haben auch schon mitbekommen, dass wir unterschiedliche Blutwerte haben. …Meine Thera hat mir auch gesagt, dass sich bei mir und einer anderen aus dem Alltagsteam auch die Augenfarbe wechselt“.
„Ich bekomme als Nicht-Multi auch mit, wenn die Innies meiner Freundin wechseln. Die Augenfarbe ist unterschiedlich, und an der Mimik, der Gestik usw. sind sie alle unterscheidbar. Teilweise betrifft es auch die Sprache – wenn z.B. einer von ihnen noch leicht stottert“.
„EEG-Veränderungen wurden bei uns mal dokumentiert (einmal war es mit epileptoformen Spikes belastet und 20 Minuten später völlig unauffällig). Ansonsten gibt es unterschiedlichen Zugang zu Begabungen und Nutzung der Körperlichkeit (jeweils abhängig vom Erregungslevel der Innens) und eben auch Gestik, Mimik, Sprachführung, Vorlieben und Abneigungen“.
„Bei uns merkt unsere Thera es oft an der Körperhaltung, die sich dann verändert und auch an der Pupillengröße. Letztens war zum ersten Mal jemand draußen mit einer ganz anderen Stimme. Und die Kleinen schreiben Mails wie Legastheniker“.
„Bei uns ist es „kunterbunt“… alle haben verschiedene Essgewohnheiten bzw. einige haben eine Essstörung. Nichtraucher… Pfeifenraucher… verschiedene Allergien… Asthma… Körperhaltung, Sprache, Interessen – alle sind sehr unterschiedlich. Es gibt sehr „belesene Kids“. Tierlieb sind alle. Manche laufen irre gern, andere absolut nicht. Das Ekelempfinden ist sehr unterschiedlich. Körperliche Beschwerden sind krass verschieden, z.B. Sprachstörungen, Schlafstörungen, einige Kids sind sehr stark krampfanfällig, haben sehr starke Durchfallattacken“.
„Ich brauche Lesebrille, aber nur ich!!! Einige sind totale Linkshänder, schreib- und auffassungsbegabt, ausdrucksstark und kreativ – und ich bin der totale Schlumpf. Es gibt unterschiedliche Interessen… totale Rabauken… andere sind arg ängstlich, unsicher. Medikamente blocken fast alle ab…sprich, es wirkt nichts bei mir… Arztbesuche sind schwierig, da ALLE Angst davor und vor Krankenhäusern haben. Einige haben schlimme Schmerzattacken… Jeder Tag ist immer wieder „spannend“.
„Bei uns ist es ähnlich wie bei I. – das fängt an mit Rauchen. Wenn ich (T) rauche und plötzlich ein Innie nach vorne kommt und die Kippe in der Hand sieht, geht erst mal das grosse IIIhhhhhhgitt los. Ich (T) habe Hasselnussallergie, alle anderen nicht, auch im Blutbild sichtbar. S hat Asthma. Z hat Heuschnupfen und A hat Epilepsieepisoden. T hat jedoch ein normales EEG. Wenn sich verschiedene Innens zeigen, wird es von aussen vor allem durch die oft kindliche Sprache bemerkt“.
„Menschen die mich gut kennen, berichten auch von Augenfarbenwechsel auf einem Auge, das heisst, das eine bleibt grau-blau-grün, das andere wird richtig grün. In meinem Tagebuch gibt es verschiedene Schriftarten. Was selbst T nicht immer lesen kann. T braucht eine Brille, viele Innens nicht, daher find ich meine Brille so oft nicht, weil sie sie an Ort und Stelle ablegen. Manche Innens haben Körperlähmungen. Manche dissoziative Krampfanfälle“.
„Bei uns wechselt die Augenfarbe ebenfalls. Einer von uns hat stahlblaue Augen, der nächste grüne, ein weiterer schaut durch ein grünes und ein blaues Auge. Selbst die Pupillengröße ändert sich. Einer aus dem System besitzt eine ganz kleine und eine große Pupille (und das hat nichts mit dem Lichteinfall zu tun, eine Freundin und ich haben es getestet“.
„Bei den Krankheiten sieht es ähnlich aus. Es wird sich bei einem Wechsel auch schon mal über die „Oma-Klamotten“ beschwert oder über die zu leichte Bekleidung bei kaltem Wetter“.
„Die Brille brauchen nicht alle, gerade die Kleinen ziehen sie aus und sagen, dass sie doch keine Brille brauchen“.
„Bei uns brauchen einige eine Brille, andere nicht, die Kleinen haben Neurodermitis und teilweise sehr starkes Asthma. Die Blutbilder sind verschieden. Ansonsten hat jeder eigene Vorlieben, Ekel, Ängste, Stimme, Sprache und Schriftbild. Eine Beschützerin hat Legasthenie, der Rest nicht“.
Wie kann es bloß sein?
Was soll das alles bedeuten?
Die Antwort auf diese Fragen hat weitreichende Konsequenzen. Für uns alle. Und darum geht es in diesem Beitrag.
Jemand hat beispielsweise eine körperliche Krankheit, eine, die nicht so einfach verschwindet. Oder eine, die verschwindet, normalerweise, überhaupt nicht. Nach jahrelanger Therapie und vielen geschluckten Medikamenten, wird es möglicherweise etwas besser. Das ist ganz normal. Oder nicht? Wie kann es sein, dass so eine Krankheit, Seh- oder Hörschwäche innerhalb von Sekunden einfach weg ist? Was oder wer verursacht dieses Wunder?
Und noch wichtiger: Ist es möglich,
dass alle Menschen diesen Mechanismus
für sich nutzen können?
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Die niederländischen Forscher haben herausgefunden, dass multiple Persönlichkeiten unterschiedliche Nervenbahnen im Gehirn benutzen. Jede Persönlichkeit scheint demnach ihr eigenes „Netzwerk“ an Nerven zu verwenden, um Erinnerungen ins Gedächtnis zu rufen bzw. zu unterdrücken. Dies bedeutet, dass die unterschiedlichen Persönlichkeiten mit unterschiedlichen neuronalen Aktivitätsmustern einhergehen. So ist zu erklären, dass auch die Erlebnisse von einer bestimmten Persönlichkeit in unterschiedliche Netzwerkstrukturen eingespeichert werden, mit denen die anderen Persönlichkeiten nicht vernetzt sind und keinen Zugang dazu haben. Die Veränderungen im Gehirn durch verschiedene Persönlichkeiten ist weit größer, als etwa bei einem schlichtem Wechsel von guter zu schlechter Laune zu beobachten ist. Bestimmte Muster werden bei verschiedenen Selbstwahrnehmungen aktiv. Offensichtlich steuern diese Muster auch die Organe und die Körperfunktionen des Betroffenen.
Man kann also sagen, dass sich die Psyche und auch die körperliche Verfassung je nach „amtierenden“ Teilidentität stark verändert.
Das Schlüsselwort ist hier „Selbstwahrnehmung“
(ist gleich Selbstbild)
Vereinfacht ausgedrückt, ist das Selbstbild eine verinnerlichte Wahrnehmung von sich selbst. Es ist eine Struktur, die aus Überzeugungen, Vorstellungen und Glaubenssätzen besteht. Sie ist großteils in der frühen Kindheit entstanden, in einer Lebensphase, in der das Bewusstsein noch nicht ausreichend entwickelt ist, um Ereignisse zu filtern und zu hinterfragen. Ein Kind speichert unkritisch alles, was ihm die Umgebung einprägt.
Dieses Selbstbild mit allen seinen Facetten steuert unser Leben. Es ist mehrfach stärker als jede Affirmation, die wir uns wiederholen mögen, als jeder Wille, den wir anwenden, um unser Leben zu verändern. Deswegen lebt ein Mensch bekanntlich zu 90-95 % automatisch und unbewusst. Selbst seine vermeintlich bewusste Entscheidungen (wie Libet-Experimente zeigen) werden in Wirklichkeit unbewusst getroffen.
Wir müssen uns zuerst mal so richtig bewusst machen, dass „das Ich“, das wir zu sein glauben, nur ein Konstrukt ist, und wie ein Computerprogramm (ein Netzwerk an Nervenbahnen im Gehirn) wirkt. Zweitens sollen wir verstanden haben, dass dieses Programm verändert werden kann. Gelingt es, sind die Auswirkungen direkt zu beobachten. Man sagt ja nicht umsonst, dass die Welt unser Spiegelbild ist. Es bleibt natürlich noch eine technische Frage, wie so eine gravierende Veränderung in einem Augenblick möglich ist? Unser Gehirn braucht ja auch Zeit, um die Körperprozesse anpassen zu können.
Unsere Aufgabe besteht also darin zu erkennen, dass wir selbst in einem sehr großen Ausmaß die Qualität des Lebens in allen Bereichen bestimmen können, um Instrumente einzusetzen, die das ermöglichen.